Ein halbes Jahr PSG II: Qualität ade?
Erste Zwischenbilanz: Das Zweite Pflegestärkungsgesetz trat am 1. Januar 2017 in Kraft. TERRANUS erklärt, wie sich die Neuregelung ein halbes Jahr nach Einführung auswirkt und welche Entwicklungen daraus resultieren.
Noch sind die Auswirkungen des Pflegestärkungsgesetzes II (PSG II) für Betreiber und Investoren von Pflegeheimen nur am Rande zu spüren. Doch schon bald könnten die veränderten Refinanzierungsbedingungen die Kalkulation der Pflegeheimbetreiber zumindest vorübergehend in Frage stellen. Denn mit der Definition eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der Einführung des sogenannten „einrichtungseinheitlichen Eigenanteils“ (EEE) hängt die Wirtschaftlichkeit eines Pflegebetriebs wesentlich davon ab, wie sehr sich die Bewohnerstruktur unterjährig verändert. Im Klartext: Am besten gar nicht!
EEE: Pauschale Pflege-Flatrate
Warum? Weil mit einem komplizierten Berechnungsverfahren künftig eine „Flatrate“ ermittelt wird, die alle Bewohner zuzahlen – und zwar unabhängig von ihrem individuellen Pflegegrad. Das bedeutet konkret: Schwerst-Pflegebedürftige werden im Verhältnis zu den Gesamtpflegekosten entlastet, Pflegebedürftige mit niedrigeren Einstufungen stärker belastet. Und: Verändert sich die Bewohnerstruktur erst nach dem Zeitpunkt der Berechnung des EEE, geht dies klar zu Lasten des Betreibers. Dem höheren Aufwand stehen dann nämlich zunächst keine höheren Einnahmen gegenüber.
Höhere Pflegegrade = mehr Personal?
Ein weiterer Effekt: Da sich der zu zahlende Eigenanteil für Bewohner mit geringerem Pflegegrad erhöht, entscheiden sich immer mehr Menschen aus Kostengründen länger zu Hause zu bleiben und auf ambulante Versorgung zu setzen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich durch den EEE die Bewohnerstruktur hin zu Menschen mit höheren Pflegegraden verschieben wird. Künftig ist daher ein aktives Pflegegrad-Management gefragt, denn der Systemwechsel stellt die Einrichtungen nicht nur finanziell, sondern auch personaltechnisch vor neue Herausforderungen. Eine weiterhin qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten und gleichzeitig das tatsächlich vorhandene Pflegepersonal nicht zu überlasten – den Spagat gilt es jetzt hinzubekommen.
Ob sich der Übergang von Pflegestufen auf Pflegegrade auf lange Sicht finanziell trägt, bleibt abzuwarten. Die Einstufungen der Pflegebedürftigen wurden zwar bei der Umstellung sehr großzügig vorgenommen, werden aber mit jedem neuen Bewohner vermutlich niedriger ausfallen.
In den kommenden Monaten also könnte die Kalkulation der Betreiber sowohl aufgrund des EEE sowie der Einstufung neuer Bewohner wanken. Langfristig jedoch wird sich der EEE exakter planen und zudem belastbare Prognosewerte mit der Pflegekasse festlegen lassen. Eines scheint dennoch ebenso sicher wie politisch gewollt: Atmosphäre und Arbeitsweise werden sich in vielen Einrichtungen stark verändern. Welche Auswirkungen dies dauerhaft auf die Qualität des Leistungsangebots hat, wird sich zeigen.
Lesen Sie demnächst in Wissenswert, welche Folgen das PSG III für die wirtschaftliche Existenz von Pflegeheimen hat.