Corona-Krise: Mietzahlpflicht für Pflegeheime?
Die Dynamik der aktuellen Krise trifft Pflegeheime besonders. Dabei ringen Betreiber nicht allein um die Gesundheit der Bewohner und Pflegekräfte, sondern auch mit zusätzlichen Aufwendungen und möglichen Einnahmeausfällen. Was aber bedeutet das für Eigentümer von Sozialimmobilien, für Mietzahlungen, Ausfälle und mögliche „Immobilien“-Darlehen?
In Rekordzeit spannt der Gesetzgeber derzeit Rettungsschirme für Unternehmen: Auf Bundes- wie Landesebene werden beinahe täglich Regelungen verabschiedet, um die gesundheitlichen wie wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus einzudämmen. Pflegeheime erreicht die weltweite Pandemie vielfach, denn ältere, pflegebedürftige Menschen und deren Pflegekräfte sind besonders gefährdet. Zudem entstehen den Einrichtungen Mehrkosten durch Hygiene-Maßnahmen, die in ihrem Ausmaß in den Bereich des Katastrophenschutzes fallen, aber für unsere Gesellschaft essenziell sind.
Seit Ende März ermöglicht das „COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz“ nicht nur Krankenhäusern und Ärzten sondern auch Pflegeeinrichtungen den Ausgleich Corona-bedingter finanzieller Belastungen. Es verspricht neben der raschen wirtschaftlichen Unterstützung auch Entlastung von Bürokratie, Aussetzen von Qualitätsüberprüfungen und gestattet im Notfall, dass Betreiber von den gesetzlichen Vorgaben für die Personalausstattung abweichen. Ob und wann finanzielle Hilfen greifen und wie weit sie in der Praxis reichen, bleibt abzuwarten. Betriebe, insbesondere mit verwaister Tagespflege stehen den riesigen Herausforderungen ohne nennenswerte Rücklagen gegenüber. Vor allem kleine und ältere Pflegeheime, so berichtete das RWI Leibniz-Institut, waren bereits vor der Epidemie wirtschaftlich bedroht.
Gesetz verschiebt Risiko vom Betreiber auf Immobilien-Eigentümer
Eine in jeder Hinsicht brisante Situation, in der Politik und Gesellschaft den Wert der Pflege soeben erst wiederentdecken und die enorme Leistung von Mitarbeitern und Betreibern zu schätzen lernen. Dass unsere Gesellschaft auf eine solch gute Versorgungsstruktur zurückgreifen kann, haben nach dem Wegfall der geförderten Finanzierung zu einem wesentlichen Teil Investoren, also privates Kapital, ermöglicht. Wie aber wirkt sich die Situation auf Investoren, Betreiber und Kreditinstitute aus und was bedeutet die neue Gesetzeslage für die Miet- oder Pachtzahlung, insbesondere wenn die Investitionsfolgekosten zur Refinanzierung von Miete, Pachten oder Kapitaldienst nicht vom Rettungsschirm abgedeckt sind?
Zunächst einmal schränkt sie das Recht der Vermieter ein, Miet- und Pachtverhältnisse wegen Zahlungsrückständen zu kündigen, sofern diese auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen. Diese Regelung bleibt zunächst auf den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni begrenzt und könnte bis September 2020 verlängert werden, für den Fall, dass die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch die Corona-Krise länger andauern. Die Pflicht des Mieters oder Pächters zur fristgerechten Zahlung, so die Bundesregierung, bleibt auch in dieser Zeit bestehen. Zahlungsrückstande berechtigen den Vermieter nicht zur Kündigung, solange der Mieter diese bis zum 30. Juni 2022 begleicht.
Dieser Punkt wird heftig diskutiert, insbesondere wegen der Berichterstattung über die Einstellung von Mietzahlungen großer Handelsketten und Konzerne. Das Gesetz, so argumentieren derzeit Politiker und Juristen, lässt das Bestreben des Gesetzgebers klar erkennen, nur diejenigen Unternehmen mit der Kündigungsbeschränkung unterstützen zu wollen, die durch die Pandemie in wirtschaftliche Not geraten. Ein allgemeines pandemiebedingtes Leitstungsverweigerungsrecht hingegen sei von Ministerien und Bundestag keineswegs intendiert.
Für die aufgrund des Mietmoratoriums gestundeten Mietzahlungen stehen dem Eigentümer in jedem Fall Verzugszinsen zu. Dennoch kann es länger dauern bis die Zahlungen ausgeglichen sind. Damit betrifft das aus der Corona-Krise entstehende Problem auch den Immobilieneigentümer. Denn trotz ausbleibender Mieten bestehen für den Vermieter die übrigen Rechtsverhältnisse fort, seien es laufende Darlehnsverträge aus Fremdkapital oder sonstige Verpflichtungen. Fällt ein Betrieb schlagartig als Mieter aus, etwa durch die Folgen eines generellen Aufnahmestopps oder eine Corona-bedingte Schließung, drohen erhebliche wirtschaftliche Folgen. Die mögliche Zahlungsunfähigkeit eines Pächters verschlechtert in jedem Fall das Kreditrating der Investoren, kann zur Kündigung von Kreditverträgen führen und erhebliche Auswirkungen auf die Rentabilität nach sich ziehen.
In dem Zusammenhang wird die Frage der prinzipiellen Mietzahlungspflicht oder des Anspruchs auf Vertragsanpassung diskutiert. Vorrang haben die im Miet- oder Pachtvertrag festgehaltenen Vereinbarungen und die Betreiberpflicht, die in der Regel keine so genannte „Force-Majeure-Klauseln“ beinhalten. Letztere verschieben die gesetzliche Risikoverteilung für Fälle der höheren Gewalt vom Mieter auf den Vermieter, worum es sich in der aktuellen Situation, einer durch die Weltgesundheitsorganisation eingestufte Pandemie, wahrscheinlich handeln dürfte. Allerdings gelten Pflegeheime als so genannte Betreiberimmobilien und die Mietverträge enthalten eine Betriebspflicht, die bewusst das Risiko für den Betrieb der Immobilie auf Seiten des Mieters legt. Ob etwa im Fall einer Schließung der Tagespflege wegen des Corona-Virus mit einer Ausnahme von der Betriebspflicht argumentiert werden kann, hängt nicht zuletzt von den Formulierungen im Mietvertrag ab.
Unsichere Rechtslage: Miteinander verhandeln, um die Krise zu meistern
Das deutsche Infektionsschutzgesetz jedenfalls sieht keine Einschränkung der Mietzahlungspflicht vor, auch wenn Behörden Aufnahmestopps verhängen oder eine Einrichtung für eine begrenzte Zeit wegen der Evakuierung aller Bewohner geschlossen wird. Das Verwendungsrisiko liegt grundsätzlich beim Mieter, es sei denn, es besteht ein objektbezogener Mangel, etwa die Nichteinhaltung brandschutzrechtlicher Erfordernisse oder andere bauliche Unzulänglichkeiten. Das ist bei den Corona-Maßnahmen offensichtlich nicht der Fall. Möglich wäre in der aktuellen Krise und bei behördlichen Anordnungen der Wegfall der Geschäftsgrundlage zu sehen – wie es für Einschränkungen in Folge von Embargos oder kriegsähnlichen Zuständen gelten kann.
Sollte die Corona-bedingte Leistungserschwerung tatsächlich die Störung der Geschäftsgrundlage begründen und in der künftigen Rechtsprechung Bestand haben, könnte der Mieter eine Anpassung des Vertrages etwa durch die Reduzierung der Miete anstreben. Allerdings findet sich in gewerblichen Mietverträgen häufig die Regelung, dass der Mieter nur dann zur Mietminderung berechtigt ist, wenn der Mangel rechtskräftig festgestellt und unbestritten ist. Ein klärendes Urteil dazu ist derzeit sicherlich nicht zeitnah zu erwarten und es bleibt die Frage, ob eine Pandemie tatsächlich als Mangel anzusehen wäre. Wie die Rechtsprechung zu all den Fragen ausfallen wird, bleibt abzuwarten.
„In der jetzigen unsicheren Situation, die keiner von uns kommen sah“, erklärt TERRANUS Aufsichtsratsvorsitzender Carsten Brinkmann, „sollten die Beteiligten keine einseitigen Handlungen vornehmen, sondern miteinander reden und sich bemühen, die Krise gemeinsam zu überstehen. So könnten sich die Parteien auf befristete Stundungen oder Mietreduzierungen mit Besserungsschein verständigen, um nach überstandener Krise ein vertrauensvolles und möglichst langfristiges Mietverhältnis fortzusetzen.“ Sinnvoller noch, so sehen es viele Branchenvertreter, wäre ein staatlicher Fonds, um die Mietzahlungen und den Kapitaldienst für Pflegeimmobilien abzudecken, damit eine funktionierende Versorgungsstruktur für die Zukunft gesichert bleibt.
Bei den vielen juristischen Ungewissheiten und nicht bekannten Rechtsfolgen rund um die Corona-Pandemie sollten Betreiber wie Immobilien-Eigentümer sich in jedem Fall eingehend beraten lassen, um auf der Basis des bestehenden Mietvertrags in Verhandlung zu treten. Die schlechteste aller Lösungen wären nicht abgestimmte Einstellungen von Mietzahlungen oder -minderungen einerseits sowie übereilte Kündigungen des Mietverhältnisses andererseits. Denn dann könnten sich nach überstandener Corona-Krise beide Seiten im Streitfall vor Gericht mit erheblichem Schadenersatz konfrontiert sehen.
Redaktionsschluss für diesen Beitrag war der 2. April, er stellt keine Rechtsberatung dar und kann die individuelle rechtliche Beratung, die die Besonderheiten des Einzelfalls und des jeweiligen Mietvertrags berücksichtigt, nicht ersetzen.
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