Katastrophenschutz für Pflegeheime

Zwischen Krisenmanagement und Verzweiflung: Pflegekräfte und Heimleiter leisten derzeit Unglaubliches, um 818.000 pflegebedürftige Menschen zu versorgen. Dabei fallen nicht nur in den akut betroffenen Einrichtungen immer mehr Pflegekräfte Corona-bedingt aus. Fünf Punkte, die in und nach der Krise dringend benötigt und umgesetzt werden müssen.

TERRANUS Wissenswert Corona-Spezial

Die Dramatik in vielen von COVID-19-betroffenen Einrichtungen spitzt sich zu, viele Pflegeheime durchleben aktuell einen Albtraum. Bereits in den letzten Wochen meldete die ARD nach einer Umfrage bei den zuständigen Landesministerien mehr als 520 akut von Corona betroffene Pflegeheime, inzwischen dürfte die Zahl deutlich angestiegen sein. Von „hohen Fallzahlen bei Betreuten und Tätigen in Pflegeeinrichtungen“ sowie „weiterhin durch COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen“ berichtet auch der aktuelle Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI, Stand: 21.4.2020).

Zentraler Krisenplan dringend notwendig

Während die Epidemie viele Bevölkerungsgruppen bislang verschonte, sind Pflegeheime doppelt betroffen, da die Bewohner zur Risikogruppe zählen und gleichzeitig Mitarbeiter betroffen sind. Bislang starben, so die Zahlen des RKI, deutschlandweit fast 1.500 Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, die Dunkelziffer schätzen Experten noch höher ein. „Die aktuelle Corona-Epidemie fällt in vielen Pflegeheimen ohne jede Übertreibung in den Bereich des Katastrophenschutzes“, erklärt TERRANUS-Geschäftsführerin Anja Sakwe Nakonji, „daher bedarf es dringend eines zentralen Krisenplans, einer Steuerung auf kommunaler und Landesebene. Denn wir dürfen die Einrichtungen mit dieser schweren Epidemie nicht allein lassen.“ So sieht das auch der Landkreis Bamberg und forderte bei der Bundeswehr Amtshilfe ein. Soldaten aus der Oberpfalz unterstützen derzeit in insgesamt elf Einrichtungen die Pflegeteams im Kampf gegen den Corona-Virus.

Massiver Fachkräftemangel verschärft die Situation

„Die Belastungsgrenze der Pflegekräfte und Heimleiter ist in vielen Einrichtungen längst überschritten“, erklärt Anja Sakwe Nakonji, „dabei kommt auf sie ein Marathon zu. Denn auch in den nächsten Wochen und Monaten gilt es, die vulnerable Gruppe der älteren, multimorbiden Menschen in den Pflegeheimen zu schützen.“ Eine enorme Verantwortung, denn neben der physischen geht es auch um die psychische Versorgung der häufig schwer pflegebedürftigen Menschen. Doch derzeit fallen in den von COVID-19 betroffenen Einrichtungen immer mehr Mitarbeiter aus, weil sie sich in Quarantäne befinden oder sich – nach RKI-Angaben – häufig selbst infizieren. Dabei herrschte in vielen Pflegeheimen schon vor der Corona-Krise ein akuter Mangel an Pflegekräften – ein Defizit, das inmitten der akuten Krise dazu führt, dass kaum Ersatzkräfte für erkrankte Mitarbeiter zu finden sind und die bestehenden Probleme weiter verschärft.

Dabei berichten beinahe alle Einrichtungen von zum Teil massiven Personalengpässen, bei einigen, von Corona besonders stark betroffenen, Pflegeheimen fällt mehr als die Hälfte des Pflegeteams aus. Und noch immer mangelt es an ausreichend Schutzkleidung und Tests, um die Pflegenden sowie die Bewohner zu schützen. Um die Krise in den kommenden Monaten und bis zur Einführung eines Impfstoffs zu managen, sieht Anja Sakwe Nakonji neben den existenzsichernden Maßnahmen der Bundesregierung für die Pflegeeinrichtungen (siehe Corona Spezial 2 und 3) dringenden Handlungsbedarf bei:

5 Punkte, die vor und nach der Corona-Krise wichtig sind

  • Schutz- und Hygienemitteln: Den Pflegeheimen müssen ausreichend große Mengen an Schutzmasken, -kleidung und -brillen sowie Desinfektionsmitteln zur Verfügung stehen. Da die Versorgungslage in ganz Europa derzeit schwierig ist, müssen Pflegeeinrichtungen mit gleicher Priorität wie Krankenhäuser behandelt und mit entsprechender Schutzausrüstung zentral versorgt werden. Denn Hygienepläne und -Experten nutzen wenig, wenn es an Grundsätzlichem mangelt.
  • der erweiterten Testung von Pflegekräften und Bewohnern: Um Infektionen einzudämmen und Ausbrüche in Einrichtungen zu vermeiden, bedarf es deutlich erweiterter Tests unter den Bewohnern und Mitarbeitern. Die Ausweitung dieser Tests sollte aufgrund der Zunahme der COVID-19-Fälle in Pflegeheimen schnell erfolgen, damit die Infektion unter Pflegekräften und den ihnen anvertrauten Menschen eingedämmt werden kann. Eine Priorität der Pflegeeinrichtungen bei der Testung ist dringend geboten, denn laut RKI sind von den an Corona verstorbenen Patienten 86 Prozent älter als 70 Jahre.
  • zentralen Notfallplänen und Notfall-Teams, die auf kommunaler und Landesebene bereitstehen und gesteuert werden: Auch wenn die Pflegeheime über ein funktionierendes Hygiene- und Krisenmanagement verfügen, ist das bei der dramatischen Entwicklung der Corona-Krise in vielen Einrichtungen und bei der massiven Ausfallsituation in den Teams häufig kaum noch umzusetzen. Ein zentraler Notfallplan und dessen Koordinierung auf Landesebene wären nötig. Bei besonders starken Ausbrüchen in mehreren Pflegeheimen einer Kommune wäre auch darüber nachzudenken, ob ein Haus speziell zur Quarantäne infizierter Patienten genutzt wird. Eine Strategie, die bei Krankenhäusern und einer Einrichtung in Hessen erfolgte und die effiziente Eindämmung des Virus ermöglicht.
  • der Unterstützung von Plattformen für Ehrenamtliche: Um die Corona-bedingten Personalengpässe auch in den kommenden Monaten abzumildern, gilt es, jene Pflegekräfte zurückzugewinnen, die in der Vergangenheit in andere Branchen wechselten und nun in Kurzarbeit sind. So spricht beispielsweise die ehrenamtliche Initiative „Pflegia – Gemeinsam helfen“ die ehemaligen Pflegekräfte über soziale Medien an, um sie für die Krisensituation in den kommenden Wochen und Monaten zu rekrutieren. Die Freiwilligen registrieren sich in weniger als zwei Minuten und geben an, welche Ausbildung und Erfahrung sie mitbringen und wie viele Schichten sie in lokalen Pflegeheimen übernehmen könnten. Anschließend bringt das Pflegia Service-Team sie direkt in Verbindung mit den Einrichtungen. Neben der Unterstützung solcher Initiativen sollte sichergestellt sein, dass den ehrenamtlichen Helfern keinerlei Nachteile während ihrer bestehenden Kurzarbeit entstehen.
  • Finanzierung der Pflegeheime und Pflegekräfte auch nach der Krise verbessern: Neben dem aktuellen Schutzschirm für Einrichtungen benötigt die Versorgungsstruktur langfristig eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Dazu bedarf es eines breiten, gesellschaftlichen Konsens und einer offenen Diskussion darüber, wie die Lasten künftig zu verteilen sind, damit die systemrelevante Versorgung älterer Menschen gewährleistet werden kann.

„Ein bundesweiter Krisenplan mit verbindlichen Kriterien für die Versorgung Pflegebedürftiger in der aktuellen Corona-Krise, dazu die Unterstützung der Einrichtungen auf kommunaler Ebene mit Schutzausrüstung und der Bereitstellung ausreichender Notfallteams“, erklärt Anja Sakwe Nakonji, damit wären die Krisenherde in deutschen Pflegeheimen in den kommenden Wochen zu bewältigen. „Es ist eine schöne Anerkennung, den Pflegekräften am Abend zu applaudieren, dann sollten sie auch am nächsten Morgen Unterstützung für den Umgang mit der Epidemie und den schutzbedürftigen Menschen erhalten.“

Redaktionsschluss für diesen Beitrag war der 23.4.2020.

 

 

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