Das Nullsummenspiel
Die Finanzierung der Pflege bröckelt langfristig – trotz des Pflegefonds. Denn mit der Einführung der letzten Stufe der Pflegereform werden die Rücklagen der Pflegeversicherung aufgezehrt – mit gravierenden Lasten für nachkommende Generationen. „Einen weitsichtigen und fairen Kraftakt der Gesellschaft“, fordert nun Carsten Brinkmann, TERRANUS Aufsichtsratsvorsitzender.
Es bleibt ein Dilemma. Am 1. Januar 2017 trat die letzte Stufe der größten Reform der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung vor 22 Jahren in Kraft. Im Zentrum steht ein neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit. Künftig werden nicht allein Menschen mit körperlicher Einschränkung voll in den Leistungskatalog einbezogen, sondern gleichberechtigt auch rund 1,6 Millionen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und schwindender geistiger Kraft wie Demenzkranke. Eine ebenso faire wie erfreuliche Entwicklung.
Das Problem: Da es seit Januar auch zu einer Leistungsausweitung für rund 95 Prozent aller Pflegebedürftigen kommt, decken die zur Finanzierung veranschlagten und über Beitragssteigerung (auf nunmehr 2,55 bzw. 2,8 Prozent für Kinderlose) erzielten 5 Milliarden Euro Mehreinnahmen den finanziellen Bedarf nicht ab. Stattdessen greifen politische Entscheider bereits heute auf die für spätere Zeiten gebildeten Rücklagen des Pflegefonds zurück, um aktuell eine stärkere Beitragserhöhung zu vermeiden.
Von der linken in die rechte Tasche: Nächste Generation verliert
„Das ist unverantwortlich“, erklärt Carsten Brinkmann, TERRANUS Aufsichtsratsvorsitzender, „denn die Pflegeversicherung mit dem 2015 eingerichteten Pflegefond sollte eigentlich eine zusätzliche Kapitalreserve für die künftige Versorgung der vielen Babyboomer bilden. Doch bereits heute werden diese Reserven abgeschmolzen, um die aktuellen Mehrkosten zu bestreiten. Unter dem Strich bedeutet das: Bis 2020 wird nicht ein einzelner Euro mehr angespart und der Aufbewahrungsort wechselt – die Reserven im Pflegefond werden aufgezehrt.“
Und die eigentliche Zeche zahlen die nachfolgenden Generationen. Denn die Umlagefinanzierung der Pflegeversicherung gerät spätestens ab 2034 heftig unter Druck. Dann werden die ersten aus der Babyboomer-Generation pflegebedürftig. Eine Generation, die größer ist als jede zuvor und danach. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Erwerbstätigen und mit ihr die Beitragseinnahmen. Angesichts dessen lässt sich bereits heute absehen: Selbst Beitragssätze von 4 Prozent decken künftige Pflegekosten von mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr dann nicht mehr ab.
Schulterschluss: Mehr Vorsorge, mehr Kreativität gefragt
„Mehr Weitsicht und Entschlossenheit von Politik und Wirtschaft, stärkere private Vorsorge und mehr Fairness gegenüber der Kinder- und Enkel-Generation und einen gesellschaftlichen Kraftakt“, fordert Carsten Brinkmann und plädiert auch für ein Umdenken bei Wohnungsbau und Quartiergestaltung für ältere Menschen.
Ausgangspunkte eines gesamtgesellschaftlichen Kurswechsels könnten sein:
- Statt des Silo-Denkens mit ambulanter Pflege auf der einen und stationärer Pflege auf der anderen Seite müsste die Politik moderne Wohnformen mit bedarfsgerechten Service- und Pflegedienstleistungen fördern – und das angesichts der Zahl der Babyboomer-Generation in großem Umfang.
- Kommunen, Wohnungsbau-Unternehmen, Stadtentwickler, Dienstleister und Investoren sollten mit viel Kreativität und Engagement eine eng vernetzte aber durchlässige und effizientere Versorgungsstruktur und die dazu geeigneten Quartiere entwickeln, die eine hohe Lebensqualität ermöglichen.
- Angesichts der demografischen Entwicklung sollten wir stärker in private Vorsorge investieren.
- Und nicht zuletzt stellt sich die Frage: Wollen wir wirklich die Beitragsstabilität heute mit einer Beitragsexplosion für die nachfolgende Generation erkaufen?
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Carsten Brinkmann
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