Digitale Pflege: Maschinen als Allheilmittel?

Digitalisierung in der Pflege bietet vielfältige Chancen, verbessert Prozesse und entlastet das Pflegepersonal. Wie man dieses Potenzial nutzen kann, ohne Grenzen zu überschreiten, und warum ethische Standards wichtig sind, erklärt Prof. Helmut Kreidenweis im Interview.

TERRANUS Wissenswert Digitale Pflege Kreidenweis Interview

Obwohl es bis zum Pflegeroboter mit künstlicher Intelligenz noch ein längerer Weg ist, schafft digitale Technik bereits heute Entlastung: Mit Sensoren ausgestattete Assistenzsysteme oder Softwarelösungen für automatisierte Bestellprozesse sowie vernetzte „Smart Home“-Technologien erleichtern den Pflegealltag und sorgen für mehr Sicherheit. Investoren wie Betreiber möchten die neuen digitalen Lösungen möglichst schnell integrieren, um letztlich ein qualitativ hochwertiges Pflegeangebot trotz schwieriger Rahmenbedingungen bieten zu können.

3 Fragen an…

Prof. Helmut Kreidenweis ist Professor für Sozialinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und erklärt im Interview, warum Maschinen den Menschen trotz aller Prozessoptimierung nicht ersetzen sollten:

1. Welche Chancen bietet die Digitalisierung in der Pflege?

Der demografische Wandel ist die wohl größte Herausforderung in der Pflege. Einer wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen stehen immer weniger Fachkräfte gegenüber. Ein Allheilmittel ist die Digitalisierung dabei zwar nicht, aber die Chancen sind vielfältig: schon durch den konsequenten Einsatz klassischer Informationstechnologie wie professioneller Dokumentations- oder Dienstplan-Software. In Kombination mit daran angedockten Mobil-Apps können so Prozesse enorm verbessert und die Pflegekräfte wirksam entlastet werden. Da ist in den meisten Einrichtungen noch viel Luft nach oben.

2. In welchem Ausmaß ist digitale Pflege überhaupt wünschenswert?

Wenn von Pflege und Digitalisierung die Rede ist, wird oft im gleichen Atemzug von „Entmenschlichung der Pflege“ gesprochen. Natürlich müssen wir ethische Fragen diskutieren. Doch wir sollten auch lernen, besser hinzuhören, was Betroffene selbst möchten. Aktuelle Umfragen zeigen, dass 84 Prozent der Bevölkerung digitale Lösungen für sinnvoll halten, um Pflegenden die Arbeit zu erleichtern. Und 76 Prozent befürworten den Einsatz von Robotern, die Pflegebedürftige unterstützen.

Wir müssen aber auch die Ängste vor neuen Technologien ernst nehmen und die Menschen – Betroffene wie Pflegekräfte – behutsam bei der Technikeinführung begleiten. Und klar ist auch: Menschen, besonders wenn sie kognitiv oder physisch beeinträchtigt sind, brauchen menschlichen Kontakt auf allen Sinnesebenen. Maschinen sollen Menschen nicht ersetzen. Dieser Punkt darf nie zur Frage des Geldbeutels werden. Darauf müssen wir sehr achten.

3. Gibt es weitere Grenzen beim Einsatz digitaler Technik?

Grenzen gibt es immer dann, wenn die Betroffenen nicht mehr entscheiden oder unterscheiden können. Das Entscheiden betrifft etwa die Frage, ob ich lieber von einem Roboter oder einem Menschen im Intimbereich gewaschen werden möchte. Beim Unterscheiden geht es darum, dass ich in kommunikativen Situationen immer wissen muss, ob ich es mit einem Menschen oder einem Dialogsystem auf Basis künstlicher Intelligenz zu tun habe. Schwierig wird es natürlich, wenn die Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit etwa durch Demenz stark eingeschränkt ist. Hier müssen wir uns reflektiert vortasten und neue fachlich-ethische Standards entwickeln.

 

Lesen Sie das Interview in voller Länge im TERRANUS Pflegereport 2018!

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