So geht Entspannung fürs Heimrecht – Bayern macht es vor
Heimrecht ist Ländersache. Das heißt, Vorschriften für Pflegeheimbetreiber und Immobilieneigentümer, z. B. zum Personaleinsatz oder baulichen Mindestanforderungen, werden jeweils in den einzelnen Bundesländern gesetzlich geregelt. Als erstes Bundesland hat nun Bayern sein Heimrecht gelockert, um Betreiber finanziell zu entlasten und bürokratischen Aufwand zu reduzieren.
Was wurde neu geregelt und was bedeutet das für die Praxis?
Das bayerische „Pflege- und Wohnqualitätsgesetz“ (PfleWoqG), am 1. August 2008 in Kraft getreten, gibt nur allgemeine Grundsätze für Pflegeeinrichtungen vor. Konkrete Regelungen sind in der so genannten „Ausführungsverordnung“ zu diesem Gesetz (AVPfleWoqG) definiert. Diese wurde in Bayern nun novelliert und dabei deutlich verändert. Die neue Version ist zum 1. Januar diesen Jahres in Kraft getreten. „Die Neufassung bietet eine deutliche Entlastung für Betreiber und interessante Perspektiven für Investoren“, erklärt TERRANUS-Geschäftsführer Markus Bienentreu.
Dies sind die Änderungen für bayerische Pflegeheime im Einzelnen:
Erleichterungen bei den baulichen Mindestanforderungen
- Für alle Einrichtungen, die bereits vor dem 1. September 2011 bestanden haben oder vor diesem Stichtag eine Baugenehmigung erhalten oder beantragt hatten, wird nun in Bezug auf wesentliche bauliche Mindestanforderungen Bestandsschutz gewährt. Das heißt, die bisher angesetzte Einbettzimmer-Quote von 75 % entfällt, und die starre Quote von 25 % rollstuhlgerechten Zimmern ist ebenfalls aufgehoben. Zudem entfällt in Bestandsbauten die Mindestwohnfläche von 14 m² für Ein- und 20 m² für Zweibettzimmer. Auch was den Zugang von den Zimmern zu Sanitärräumen, Anzahl und Ort der Lager- und Fäkalienspülräume sowie die Zuordnung von Gemeinschaftsräumen betrifft, müssen diese Häuser an ihren Grundrissen nichts ändern.
- Die bisher in Bayern geforderte Einbettzimmer-Quote von 75% wird generell – auch für nach dem 1.9.2011 erbaute und alle zukünftig geplanten Einrichtungen – aufgehoben. Gefordert ist nur noch ein „angemessener Anteil“ an Einzelzimmern.
- Die Anzahl der vorgeschriebenen Pflegebäder wird auf eines pro stationärer Einrichtung reduziert. Zuvor war es ein Pflegebad pro 40 Bewohner.
- Für eingestreute und solitäre Kurzzeitplätze muss die Wohnfläche nur noch 12 m² (bzw. 18 m² bei Zweibettzimmern) betragen, statt wie bisher 14 bzw. 20. Damit soll die Kurzzeitpflege in Bayern gefördert werden.
- Pflegeheime sind nicht mehr verpflichtet, einen Abschiedsraum vorzuhalten. Betreiber können ab jetzt den Abschiedsprozess für Angehörige eigenverantwortlich gestalten.
- Für Pflegewohngemeinschaften gelten grundsätzlich die gleichen baulichen Mindestanforderungen wie für stationäre Einrichtungen, z. B. zu sanitären Anlagen oder zur Größe von Gemeinschaftsräumen. Aber auch hier gibt es einen Bestandsschutz für bereits vor dem 1. 9. bestehende Einrichtungen. Darüber hinaus darf in begründeten Einzelfällen entsprechend der verfolgten fachlichen Konzeption und mit Zustimmung der zuständigen Behörde von den Mindestanforderungen abgewichen werden.
- Eine neue Pflicht ist in der Ausführungsverordnung allerdings hinzugekommen: Sämtliche Bewohnerzimmer in stationären Einrichtungen müssen verpflichtend mit Telekommunikationsanschlüssen ausgestattet werden, inklusive der Möglichkeit, das Internet zu nutzen. Diese Anforderung ist im Laufe der nächsten fünf Jahren zu erfüllen.
Erleichterungen bei den personellen Anforderungen
- Mit der neuen Ausführungsverordnung setzt Bayern jetzt auch die Personalbemessung (PeBeM) nach §113c SGB XI in verbindliches Landesrecht um. Das heißt: Die starre Fachkraftkraftquote von 50% ist Vergangenheit. „Das hat viele Vorteile für die Einrichtungen“, erklärt TERRANUS-Geschäftsführerin Anja Sakwe Nakonji, „die Arbeit kann wirtschaftlicher organisiert werden. Pflegefachkräfte können dank ihrer Vorbehaltsaufgaben eine größere Anzahl von Bewohnern versorgen. Pflegeassistenten und Pflegehelfer übernehmen für den Rest eigene Touren.“
- Im Nachtdienst muss in stationären Einrichtungen nur noch eine Pflegekraft pro 40 Bewohner anwesend sein. In Einrichtungen mit 40 – 50 und über 80 Bewohnern darf sich die zweite bzw. dritte Pflegekraft auch zu Hause in Rufbereitschaft befinden. Nach wie vor muss jedoch auch im Nachtdienst immer eine Pflegefachkraft anwesend sein.
- Will ein Einrichtungsleiter oder eine Einrichtungsleiterin eine weitere gleichartige Einrichtung übernehmen, ist dafür keine behördliche Zustimmung mehr erforderlich. Auch die Genehmigung von Einrichtungs- und Pflegedienstleitung in Personalunion wurde vereinfacht.
- Lockerungen gibt es schließlich noch beim Einsatz von gerontopsychiatrisch ausgebildeten Fachkräften. Bislang musste pro 30 Bewohner ein solcher Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin eingestellt werden. Die Neuregelung erlaubt nun auch eine Zuständigkeit für bis zu 120 Bewohner – wenn die betreffende Fachkraft von Aufgaben im Regelbetrieb freigestellt ist.
Welchen Nutzen bringen die Lockerungen?
Die Absenkung der baulichen Mindestanforderungen erspart vielen Trägern kostenintensive Umbauten. Dadurch werden auch die Pflegebedürftigen selbst bzw. ihre Angehörigen entlastet, da die im Zuge von Umbauten anfallenden Investitionskosten in der Regel auf Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt werden. „Bei einer größeren Anzahl von Zwei-Bett-Zimmern stehen zudem insgesamt mehr Pflegeplätze zur Verfügung, die dringend benötigt werden“, erklärt Anja Sakwe Nakonji. Die Änderungen bei den Mindestanforderungen im Personalbereich führen ebenfalls zu finanziellen Einsparungen und Flexibilität für Betreiber.
Die Neuregelungen im Landesheimrecht haben auch für Investoren Vorteile: Jetzt sind wieder eine größere Anzahl an Sozialimmobilien in Bayern interessant, weil auch Häuser mit vielen Zweibettzimmer-Anteilen oder wenigen rollstuhlgerechten Zimmern ohne Umbauten wieder vermietet werden können.
Fazit von Anja Sakwe Nakonji: „Die Novellierung des bayerischen Heimrechts korrigiert Auflagen, die für viele Betreiber unverhältnismäßig oder nicht praktikabel waren. Betreiber und Verbände fordern das seit langem und wünschen sich weniger Regulierung und vor allem mehr Realismus bei den rechtlichen Vorgaben. Insofern ist es zu begrüßen, dass sie zumindest vom bayerischen Gesetzgeber ein Stückweit gehört worden sind. Hoffentlich ziehen andere Bundesländer nach!“
Beratung zu Ihren Betriebsabläufen
Ihre Einrichtung befindet sich nicht in Bayern? Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihre Organisationsstruktur wirtschaftlich aufstellen. Sie haben zum Beispiel Beratungsbedarf bei der Umsetzung der PeBeM oder anderer Vorschriften in Ihrem Bundesland? Mit unserem Leistungspaket „Strategie- und Management-Beratung“ unterstützen wir Sie dabei.
Sprechen Sie uns gerne an!